Voraussichtlich eher Placebo als Booster

Die von der Bundesregierung geplante E-Auto-Förderung droht ihr Ziel zu verfehlen.

Jens Nietzschmann, DAT Geschäftsführer

Neue Abschreibungsregelung für gewerbliche E-Auto-Käufe soll den Umstieg auf Elektromobilität erleichtern – in der Praxis drohen jedoch Zielverfehlung, Mitnahmeeffekte und Nebenwirkungen für den Gebrauchtwagenmarkt. Auch Endverbraucher bleiben außen vor.

Mit dem Ziel, die Elektrifizierung des Straßenverkehrs voranzutreiben, plant die Bundesregierung eine deutliche steuerliche Erleichterung für Unternehmen: 75% der Anschaffungskosten für gekaufte, batterieelektrische Fahrzeuge sollen im ersten Jahr abgeschrieben werden können. Das klingt nach einem starken Signal für Investitionsbereitschaft – doch bei genauerem Hinsehen zeigen sich erhebliche Schwächen in der Konstruktion der Maßnahme. 
„Ich sehe hier ein steuerpolitisches Placebo mit ungewisser Wirkung – und gleich mehreren systemischen Problemen“, meint Jens Nietzschmann, DAT Geschäftsführer. 

Zielgruppe verfehlt – Leasing als Stolperstein 

Das erste Problem liegt in der Verbreitung des Leasingmodells: Rund 80% der gewerblich genutzten E-Autos werden nicht gekauft, sondern geleast – aus wirtschaftlich nachvollziehbaren Gründen wie Liquiditätsschonung und Restwertrisiko. 

„Wer least, kann nicht abschreiben. Das bedeutet: Von der steuerlichen Entlastung profitiert nicht das Unternehmen, das das Fahrzeug nutzt – sondern der Leasinggeber. Damit zielt die Maßnahme am Bedarf der meisten Firmenkunden vorbei“, erklärt Nietzschmann. 

Nur wenn Leasinganbieter die steuerlichen Vorteile in Form reduzierter Raten an ihre Kunden weitergäben, könne es indirekt doch noch zu einem gewissen Anreizeffekt kommen. Doch das sei nicht garantiert – und in vielen Fällen schwer kalkulierbar. 

„Die tatsächliche Wirkung bleibt ungewiss“, ergänzt Nietzschmann. „Es ist keineswegs sicher, dass die Förderung in den Fuhrparks ankommt – und wenn doch, dann nur teilweise.“ 

Kurzzeit-Leasing und ein überhitzter Gebrauchtmarkt? 

Ein zweites Risiko ergibt sich aus möglichen Reaktionen der Leasinganbieter: Um die Förderung optimal auszuschöpfen, könnten vermehrt Verträge mit sehr kurzen Laufzeiten angeboten werden – etwa 12 oder 24 Monate statt der üblichen 36. Dies gilt jedoch nur, wenn der Plan der Regierung keine Restriktionen hinsichtlich einer Mindesthaltedauer enthält.  

„Das kann zwangsläufig dazu führen, dass mehr junge, hochpreisige Gebrauchtwagen sehr früh auf den Markt zurückkommen – und das in einem Segment, in dem die Zahlungsbereitschaft der Käufer bekanntlich limitiert ist“, erklärt Martin Weiss, Leiter der DAT Fahrzeugbewertung. „Ein Überangebot an relativ teuren jungen Gebrauchten kann dann schnell zur Belastung für Händler und zur Enttäuschung für Kunden werden.“ 

Endverbraucher bleiben außen vor – oder könnten sich abgehängt fühlen 

Noch problematischer erscheint jedoch, dass der private Endverbraucher in der gesamten Förderung schlicht keine Rolle spielt. Obwohl auch viele Privatpersonen über den Kauf eines E-Autos nachdenken, bleibt ihnen der sogenannte Innovationsbooster verwehrt. 

„Es ist durchaus nachvollziehbar, dass angesichts der Verteilung der Zulassungszahlen die gewerblichen Fuhrparks im Fokus stehen – immerhin sind zwei Drittel aller E-Auto-Zulassungen gewerblich und nur ein Drittel privat“.  

Zudem könnte aber auch der Eindruck entstehen, dass Privatkunden lediglich als Abnehmer für die gebrauchten Fahrzeuge gedacht sind, die nach einiger Zeit günstig auf den Markt zurückkehren. 

„Natürlich ist es interessant, wenn moderne Fahrzeuge nach kurzer Nutzungsdauer günstiger zu haben sind. Aber man muss auch fragen dürfen, ob die privaten Käuferinnen und Käufer sich als Kunden zweiter Klasse fühlen, da ihnen die Förderung verwehrt bleibt“, ergänzt Weiss und resümiert: „Hier wäre ein einheitlich günstiger Strompreis ein probates Mittel, das allen E-Auto-Fahrern gleichermaßen zugutekäme. Dadurch wird die Nutzung eines E-Autos für alle attraktiver, unabhängig vom Alter des Fahrzeugs und unabhängig davon, ob es privat oder gewerblich genutzt wird.“ 

Fazit: Anschubidee mit Stolperpotenzial 

Eine steuerliche Förderung zur Ankurbelung der E-Mobilität kann eine positive Wirkung entfalten – aber der aktuell diskutierte Entwurf ist lückenhaft, unausgewogen und lässt wichtige Zielgruppen außen vor. 

„Ich halte die Maßnahme nicht per se für falsch“, sagt Nietzschmann, „aber wenn man einen echten Innovationsschub will, muss man genauer hinschauen: Wie werden Fahrzeuge wirklich genutzt? Wer entscheidet über den Antrieb? Und wie kann man auch den privaten Umstieg auf E-Mobilität attraktiv machen – nicht erst beim Gebrauchtkauf, sondern gleich von Anfang an?“

Nach diesem ersten Schritt müssten somit schnell weitere Maßnahmen folgen, um vor allem die Nutzung von E-Mobilität flächendeckend auch für den Endverbraucher attraktiv zu machen.